Der aufgeklärte Patient. |
Das Dissertationsprojekt macht es sich zur Aufgabe, den Transformationsprozess der Wissensvermittlung und der kommunikativen Rahmenbedingungen innerhalb des Themenbereiches von Gesundheit und Krankheit näher zu untersuchen. Zentrale Fragestellung dabei ist, welche medialen Bedingungen und welcher Umgang mit medizinischem Wissen erfüllt sein müssen, um den Gesundheitsinteressierten mit Hilfe von Information und Kommunikation so aufzuklären und zu stärken, dass er – im Sinne der Patientenautonomie – kompetent sein Gesundheitsverhalten mitsteuert und Strategien zur Krankheitsbewältigung aktiv umsetzt.
Der Wandel der Gesundheitskommunikation über mehrere Jahrhunderte ist entscheidend von Medienumbrüchen geprägt worden. Im 18. Jahrhundert ist durch die Ausdifferenzierung der Buchkultur medizinisches Expertenwissen erstmalig einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt worden. Der neu postulierte Objektivitätsanspruch der Medizin, die Vermittlung literarischer und literaler Kompetenzen, die Ausdifferenzierung von Gattungen und Genres innerhalb des Buchmarktes und die Qualitätssicherung der Information durch Experten als Autoren legte dem Gesundheitsinteressierten das Werkzeug in die Hand, dem seit der Aufklärung geforderten Handlungsparadigma – dem eigenverantwortlichen und rationalen Denken und Handeln – potentiell gerecht werden zu können, indem das Individuum die Glaubwürdigkeit und Nützlichkeit von medizinischem Wissen selbst sachgerecht beurteilte. Mit dem Einzug der digitalen Kommunikation im 20. Jahrhundert haben sich die Grundprobleme der Gesundheitskommunikation weiter verschärft: Die Unüberschaubarkeit des angebotenen Wissens, der herausgeforderte Objektivitätsanspruch der Medizin und die Probleme der Beglaubigung und Qualitätssicherung von medizinischem Wissen schwächen die Patientenautonomie. Noch nicht verbindliche, weil in der Entwicklung begriffene Genres und Formate, die Rollenauflösung von Autor und Leser sowie neue Anforderungen an die Medienkompetenz erschweren dem Einzelnen die Orientierung im Internet.
Es soll geklärt werden, welche grundlegenden kommunikativen Funktionen und Leistungen die einzelnen Gattungsformate in der Gesundheitskommunikation im 18. und 20./21. Jahrhundert für die Stärkung des aufgeklärten Patienten eingenommen haben. Im Sinne des komparativen Vergleichs nach Max Weber soll herausgefunden werden, welches Format welche Funktionen am sinnvollsten für den Patienten erfüllt. Da bei der Analyse die Medialität der Nutzungsbedingungen berücksichtigt werden muss, werden die zentralen Probleme des medienvermittelten Wissens in modernen Gesellschaften – das Prinzip des Widerspruchs, des Sensationalismus und der selbstreferentiellen Bestätigung – in ihrer Bedeutung rekonstruiert. Ebenso sollen die Diskurse bestimmt werden, die auf diese drei Probleme und das Problem des aufgeklärten Patienten Bezug nehmen.