"Vergnügen und Erbauung"
Kantaten auf Texte von Johann Jacob Rambach

Julian Heigel

Der dem Halleschen Pietismus entstammende Theologe Johann Jacob Rambach (1693-1735) veröffentlichte 1720 einen vollständigen Jahrgang an Kantatentexten. Mehr als 30 Komponisten, darunter namhafte wie Telemann, Wilhelm Friedemann Bach, Georg Anton Benda und Gottfried August Homilius haben über einen Zeitraum von ca. 70 Jahren diese Kantatentexte vertont. Die geographische Ausdehnung der Aufführungen von Kantaten auf Rambachtexte erstreckt sich über den gesamten deutschsprachigen, protestantischen Raum.

Die biographische Prägung Rambachs legt nahe, dass seine Kantatentexte von pietistischen Frömmigkeitspraktiken beeinflusst sind. Tatsächlich ist es möglich, Rambachs Kantatenjahrgang als eine Variation über eine pietistisch geprägte Grundhaltung zu lesen: Wiederkehrend werden Themen verhandelt, die für eine pietistisch ausgerichtete Lebensführung relevant sind, wie Glaubenseifer, Bekehrung und Jenseitsorientierung etc. Inwiefern diese inhaltlichen Topoi eine pietistische Innovation darstellen oder sich von der Gemengelage der lutherisch-orthodoxen Frömmigkeitsausformung nur graduell unterscheiden, soll die Leitfrage einer detaillierten Quellenanalyse sein.
Wenn es möglich ist, inhaltliche pietistische Akzentuierungen in den Texten auszumachen, so ist zu fragen, ob sich diese pietistische Ausprägung auch in der musikalischen Ausformung greifbar machen lässt. Zwar gibt es in der Forschung Versuche, musikalische Gestaltungselemente als pietistisch zu 'labeln'; wenn man jedoch die Anzahl der Komponisten und den Zeitraum der Vertonungen betrachtet, ist anzunehmen, dass die Komponisten Rambachs Kantaten nicht als dezidiert pietistische Texte rezipiert haben. Dieser Forschungsansatz verfolgt daher vielmehr die Frage, welche inhaltlichen Topoi die einzelnen Komponisten wie aufgegriffen haben und mit welcher Stilistik und welchen musikalischen Gestaltungselementen sie auf die textlichen Angebote reagiert haben. Der methodische Vergleich von Vertonungen des gleichen Texts ist für die Gattung Kantate bisher kaum unternommen worden und dürfte innovativen Aufschluss geben über unterschiedliche Techniken und formale Lösungen verschiedener Komponisten.