Schlaf. |
Das Phänomen, der Vorgang und das Rätsel 'Schlaf' bilden eine Schnittmenge ganz verschiedener Disziplinen und Diskurse des 18. Jahrhunderts. Auf einen ersten Blick dient der Schlaf der aufklärerischen Metaphorik vor allem als Bild für defizitäre Geisteshaltungen und Nichtwissen. Abseits dieser Metapher entwickelt sich aber im philosophischen, anthropologischen und ästhetischen Denken der Aufklärung auf profunde Weise ein theoretisch tragfähiger, moderner Diskurs des Schlafs. Zu untersuchen sind nun dessen Manifestationen: Das vorliegende Projekt erarbeitet diese Geschichte des Schlafs – die von der des Traumes zu unterscheiden ist – auf einer 1. philosophiegeschichtlichen und 2. diskursgeschichtlichen Ebene.
(1.) Zwischen Barock und Aufklärung wird der Schlaf in der Philosophie zu einem wichtigen Argument, um eine Theorie passiver, in einem weiteren Sinne körperlicher Vermögen zu stützen. Eine die Aufklärung durchziehende Diskussion um die passive Konstitution des Sinnlichen hat hier einen ihrer Ausgangspunkte. Im Detail stößt man im Kontext des Schlafs z.B. auf Diskussionen um irritierende Ununterscheidbarkeiten von Körper und Geist, oder auf eine Ästhetik des reinen Sehens, die sich auf Bildphänomene in den Einschlaf- und Aufwachzeiten stützt.
(2.) Der Schlaf fordert die frühe Anthropologie und die rationale Psychologie der Vermögen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts heraus. Er wird zu einem Problem, das auf kausale Weise in Kreislaufmodellen gelöst werden muss. Darauf aufbauend werden zahlreiche, historisch neue Verhaltensweisen und -maßregeln formuliert, die Schlafen und Wachen individuell wie kollektiv ins Gleichgewicht bringen, die pathologische Schlafformen definieren und die traditionell prekäre Nähe von Schlaf und Tod neu bestimmen. Der Schlaf rückt so in die Argumentation neuer Todesbegriffe im 18. Jahrhundert ein, außerdem spielt er eine maßgebliche Rolle in Fragen der psychischen und physischen Regeneration und in Theorien des Reizschutzes.