Gattung und Geschlecht – Narrative Inszenierungen von Weiblichkeit im galanten Roman um 1700

Katja Barthel

Abenteuer, Geschlechterwechsel, standesübergreifende Liebe – der galante Roman um 1700 wartet mit recht unkonventionellen Weiblichkeitsnarrativen auf. Die Arbeit widmet sich weiblichkeitszentrierten Romanen um 1700 und untersucht sie in textimmanenter Perspektive. Wie wird Weiblichkeit im galanten Roman erzählt und welche Möglichkeiten, aber auch Grenzen bietet die Gattung, um Weiblichkeit erzählen zu können? In einer genderorientierten Erzähltextanalyse widmet sich die Arbeit semantischen und formalästhetischen Konzepten von Weiblichkeit und untersucht sie in ihrer Interdependenz zu den Motiven 'Körper', 'Raum', 'Stand'. Welche Handlungsoptionen stehen den Protagonistinnen im Umgang mit dem eigenen und fremden Körper zu, welche territorialen Räume und sozialen Sphären eröffnen oder verschließen sich für die Heldinnen und wie gehen sie mit standesspezifischen Normen um? Über die Inszenierung des weiblichen Figurenpersonals entfalten die Texte ein spezifisches Genderwissen, das über die Publikation in unterschiedlichen sozialen und territorialen Sphären zirkuliert wird.

Über diese textimmanente Perspektive hinaus geht die Arbeit der Spezifik der galanten Weiblichkeitsnarrative nach, indem sie die Romane in ihren medialen, sozialen und poetischen Kontexten untersucht. Der galante Roman wird in einem dynamischen Gattungsprozess verortet, in dem inhaltliche und formale Gattungskriterien erst sukzessive erschlossen und erst nachträglich systematisiert und formalisiert werden können. Die Arbeit interessiert sich für das buchhandelshistorische Umfeld der Romane. In der 'Formierungsphase' des modernen Buchhandels um 1700, mitsamt seinen Strukturen einer anonymen Raubdruckökonomie, erhalten junge (studentische) Autoren die Möglichkeit, unterhaltsame Texte zu publizieren und dabei literarisch innovativ tätig zu werden. Poetische Rezeptionsprozesse des preziösen Romans aus Frankreich prägen die deutsche Gattungsentwicklung. Die Präsenz junger Autoren im Buchhandel hat weit reichende Folgen für die Funktionalisierung der Gattung und die narrative Inszenierung von Weiblichkeit. Die Texte weisen einen spielerischen Umgang mit traditionellen Geschlechterkonventionen und geschlechterspezifischen Verhaltensnormen auf, variieren, relativieren und modifizieren sie. Gattungs- und geschlechterspezifische Auseinandersetzungen finden im galanten Roman und seinen Paratexten einen medialen Austragungsort.