'Geist=reiche Critik': |
Die frühneuzeitliche Pluralisierung von Religions- und Wissensformen verdankt dem Corpus Hermeticum wesentliche Impulse. Erstmals ausgehend von den Quellen seiner Kritiker rekonstruiert diese Studie das Profil des hermetischen Diskurses in den Jahren zwischen 1530–1730 und analysiert quellennah seine ambivalente Rolle zwischen verborgener Weisheit und einer Demokratisierung des Heilswissens. Die Einzelanalysen zu Sebastian Franck, Valentin Weigel, Jacob Böhme und Conrad Dippel verfolgen die Rezeption hermetischer Texte an der Schnittfläche zu Patristik, mittelalterlicher Mystik und neuer Naturphilosophie im Hinblick auf ihre jeweiligen zeithistorischen Sinnangebote. Oszillierend zwischen Heilshoffnung und Häresie geben die Texte Impulse zu einer in die Aufklärung weisenden Reflexion der unterschiedlichen Enkulturation religiösen Wissens und leisten damit einen bislang unterschätzten Beitrag zur Toleranzdebatte. In ihrer Neudeutung von Systemstellen der christlichen Heilserzählung, des Zeitkonzepts sowie der Integration eines weiblichen Prinzips in Gott werden die oft pauschal zu esoterischen Geheimlehren verkürzten Schriften auf ihr innovatives und machtkritisches Potenzial hin transparent.